1. Warum Barrierefreiheit für Shopify wichtig ist
Barrierefreiheit bedeutet, dass dein Onlineshop für alle Nutzer:innen zugänglich und bedienbar ist – unabhängig von körperlichen Einschränkungen wie einer Seh- oder Hörbehinderung oder motorischen Beeinträchtigungen.
Rechtliche Pflicht: Mit Inkrafttreten des BFSG zum 28. Juni 2025 werden Barrierefreiheitsstandards verpflichtend.
Kundenzufriedenheit und Reichweite: Je einfacher und zugänglicher dein Shop ist, desto größer ist dein potenzieller Kundenkreis.
SEO-Vorteile: Suchmaschinen bewerten barrierefreie Shops oft besser, da klare Strukturen, Alt-Texte und valide HTML-Codes die Crawlability verbessern.
2. Rechtliche Grundlagen: BFSG, WCAG & Co.
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Umsetzung des European Accessibility Act (EAA) in Deutschland.
Verpflichtet Online-Shops, bis 28. Juni 2025 die EN 301 549 (basiert auf WCAG 2.1, Level AA) umzusetzen.
WCAG – Web Content Accessibility Guidelines
Internationaler Standard für barrierefreies Webdesign.
Level AA ist der geforderte Mindeststandard (zukünftig WCAG 2.2 AA).
Ausnahmen
Kleinstunternehmen (< 10 Beschäftigte und < 2 Mio. Euro Jahresumsatz) sind vom BFSG ausgenommen.
Mittlere Unternehmen (< 50 Mitarbeitende und < 10 Mio. Euro Jahresumsatz) können in begründeten Fällen Ausnahmen geltend machen.
Tipp: Ob dein Unternehmen betroffen ist, kannst du kostenfrei unter
bfsg-gesetz.de/check/ überprüfen.
3. Die wichtigsten Anforderungen für deinen Shopify-Shop
Im Folgenden findest du die zentralen WCAG-Kriterien, die du speziell auf Shopify umsetzen solltest. Diese orientieren sich an den vier Prinzipien: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. Dazu kommen weitere konkrete Bereiche wie Formulare, Multimedia und Dokumente.
3.1 Wahrnehmbarkeit
Achte auf ein Mindest-Kontrastverhältnis von 4,5:1 (optimal 7:1). Vermeide Rot-Grün-Kombinationen, da diese für viele Menschen mit Farbsehschwäche schwer unterscheidbar sind.
Hilfreiche Prüfungstools: WAVE, Siteimprove, WCAG Color Checker.
Ermögliche einen hohen Kontrastmodus, der sich per Schalter aktivieren lässt.
Wähle gut lesbare, serifenlose Schriften; sorge für genügend Zeilen- und Zeichenabstand.
Alt-Texte sollten für alle relevanten Bilder vorhanden sein, damit Screenreader sie erfassen können.
3.2 Bedienbarkeit
Stelle sicher, dass alle Links, Buttons und Formulare per Tastatur erreichbar sind. Der aktuell fokussierte Bereich sollte optisch hervorgehoben sein (Fokusindikator).
Biete Sprunglinks („Skip to content“) an, um lange Inhaltsblöcke zu überspringen.
Vermeide Sackgassen durch falsche Tab-Reihenfolgen und verhindere ungewollte Aktionen durch versehentliche Tastatureingaben.
3.3 Verständlichkeit
Verwende kurze Sätze, intuitives Wording und eine klar definierte Überschriftenhierarchie (H1, H2, H3 etc.).
Das Layout sollte konsistent bleiben, damit Nutzer:innen nicht überrascht werden. Fokusänderungen dürfen keine unerwarteten Aktionen auslösen.
3.4 Robustheit
Sorge dafür, dass dein Theme und deine Inhalte mit Screenreadern (NVDA, JAWS) kompatibel sind.
Ein responsives Design ist unerlässlich, damit dein Shop auf allen Endgeräten gleichermaßen funktioniert.
3.5 Formulare & Eingabefelder
Formularfelder sollten eindeutig beschriftet sein (z. B. „Vorname (Pflichtfeld)“) und ARIA-Attribute wie aria-required="true"
verwenden.
Fehlermeldungen dürfen nicht nur farblich, sondern auch textlich gekennzeichnet sein.
Nutze autocomplete
-Attribute wie autocomplete="name"
.
Falls es sich um finanzielle oder rechtliche Formulare handelt, biete Fehlerprüfungen und Möglichkeiten zur Korrektur an.
3.6 Medien & Multimedia
Untertitel und Transkriptionen sollten für Videos und Audios bereitstehen.
Autoplay ist zu vermeiden oder muss zumindest pausierbar sein.
Vermeide blinkende Inhalte und Animationen, die nicht gestoppt werden können.
3.7 Struktur & Inhalt
Setze nur eine H1 pro Seite ein, gefolgt von H2, H3 usw.
Nutze aussagekräftige Linktexte statt „Hier klicken“.
Auch Downloads wie PDFs müssen barrierefrei sein: klare Überschriften und logische Lesereihenfolge.
3.8 Technische Anforderungen & Test-Tools
Klickbare Elemente sollten mindestens 24 x 24 Pixel groß sein.
Tabellen müssen korrekt als HTML-Tabellen formatiert sein.
Binde ARIA-Attribute sinnvoll ein (aria-autocomplete
, aria-checked
usw.).
Validiere deinen Code über W3C Validator, achecks oder Google Lighthouse.
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4. Konsequenzen bei Nichteinhaltung
Wer die Anforderungen nicht fristgerecht umsetzt, riskiert:
- Abmahnungen und Bußgelder
- Auflagen zur Nachbesserung
- Einstellung des Shopbetriebs in besonders schweren Fällen
Da auch Verbraucher:innen Verstöße melden können, ist es für Shopify-Händler:innen entscheidend, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen.
5. So testest du deinen Shop auf Barrierefreiheit
1. Selbsttest (Easy Checks)
Schneller Überblick durch kostenfreie Browser-Plugins oder Tools wie
WAVE.
2. Automatisierte Tools
Lighthouse (Google Chrome DevTools) liefert dir einen „Accessibility Score“.
3. BITV-/WCAG-Tests
Offizielle Prüfung durch zertifizierte Stellen (z. B.
BITV-Test).
4. Manuelle Tests
Navigiere deine Seite nur mit der Tastatur und prüfe Fokuszustände.
Teste mit Screenreadern (NVDA, JAWS) für eine realistische Nutzererfahrung.
6. Apps & Tools für barrierefreie Shopify-Shops
Die folgenden Tools unterstützen dich dabei, Barrieren gezielt zu erkennen und zu beseitigen:
6.1 EqualWeb
KI-gestützte Prüfung des Shops.
Accessibility-Widget für Nutzeranpassungen.
6.2 Accessibly
Speziell für Shopify entwickelt.
Dashboard zur Verwaltung aller Anpassungen.
KI-generierte Alt-Texte.
6.3 All in One Accessibility
Anpassbares Barrierefreiheits-Widget (Kontraste, Schriftgrößen etc.).
Unterstützung bei WCAG- und EAA-Konformität.
Tipp: Diese Apps sind ein erster Schritt, können aber eine gründliche Prüfung und individuelle Anpassungen nicht vollständig ersetzen.
7. Erweiterte Checkliste & Dokumentation
Wenn du deinen Shop besonders gründlich prüfen möchtest, helfen dir die folgenden Schritte und Tools weiter. Sie geben dir eine systematische Anleitung, um alle relevanten Barrierefreiheitsaspekte zu überprüfen:
- achecks
Web Accessibility Checker zur WCAG-Compliance. Einfach URL eingeben, Report prüfen und anschließend Fehler beheben.
- W3C Validator
Check by address: URL deiner Seite eingeben und analysieren.
Check by text input (Serialized DOM): Mit Bookmarklets („Check serialized DOM of current page“ und „Check for WCAG 2.0 parsing compliance“) den Code prüfen.
Skriptfilter für Syntaxprobleme: Irrelevante Meldungen filtern, sodass nur WCAG-relevante Fehler übrig bleiben.
- Lighthouse (in Chrome DevTools)
DevTools mit F12 öffnen und zum Reiter „Lighthouse“ gehen. Auf „Accessibility“ klicken und den Test starten (mobil und Desktop). Probleme (z. B. unzureichende Kontraste) werden direkt im Report aufgelistet.
- Linearized Tabbing
Tab-Taste (und Shift+Tab rückwärts) nutzen, um alle interaktiven Elemente zu erreichen. Darauf achten, dass Fokusindikatoren sichtbar sind, keine unlogische Reihenfolge vorliegt und keine Tastaturfallen vorhanden sind.
- WCAG Color Checker
Überprüfe die Kontrastverhältnisse zwischen Text und Hintergrund. Stelle sicher, dass du mindestens 4,5:1 erreichst.
- Screen-Reader-Test
NVDA (Windows) oder VoiceOver (macOS) starten und auf Tab-Reihenfolge, Überschriften-Hierarchie, Alt-Texte sowie Links & Buttons achten.
- Weitere Punkte (Ergänzende WCAG-Punkte)
Prüfe, ob Videos Untertitel haben. Verzichte auf stark flackernde Animationen. Überprüfe, ob sich beim 3-fachen Zoom nichts überlagert. Stelle sicher, dass alle Funktionen per Tastatur zugänglich sind und Zeitlimits vermeidbar sind.
Diese erweiterte Checkliste sorgt für ein fundiertes Vorgehen: Erst automatisierte Scans, dann manuelle Prüfungen (Tabbing, Screenreader, Zoom etc.). Zum Schluss kann eine zertifizierte Prüfung (z. B. BITV-Test) weitere Sicherheit bieten.
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8. FAQ
8.1 Welche Besonderheiten sind bei Formularen zu beachten?
Eindeutige Beschriftungen, z. B. „Vorname (Pflichtfeld)“. Fehlermeldungen, die nicht nur farblich, sondern auch textlich gekennzeichnet sind. Nutzung von ARIA-Attributen wie aria-required="true"
. Autocomplete-Funktionen (z. B. autocomplete="email"
) und alternative Kontaktmöglichkeiten.
8.2 Wie hilft Barrierefreiheit meinem SEO?
Barrierefreiheit führt zu klaren Überschriftenstrukturen, validem HTML-Code und Alt-Tags, was Google positiv bewertet. Mobile Optimierung und hohe Ladegeschwindigkeit werden ebenfalls begünstigt.
8.3 Was sind ARIA-Attribute und warum sind sie wichtig?
ARIA (Accessible Rich Internet Applications) ergänzt HTML, um z. B. Zustände von Elementen oder Rollen für Screenreader zu beschreiben (aria-live
, aria-label
, aria-hidden
usw.). Hilfreich für dynamische oder interaktive Inhalte, um diese für assistive Technologien zugänglich zu machen.
8.4 Wie gehe ich mit Animationen oder Autoplay-Videos um?
Automatisch startende Inhalte sollten pausier- oder überspringbar sein. Blinkende Inhalte vermeiden, da sie für manche Nutzer:innen überfordernd oder sogar gefährlich sein können (Stichwort Epilepsie).
8.5 Welche Inhalte müssen laut Gesetz barrierefrei sein?
Websites, Onlineshops & Apps, Software & Downloads (z. B. PDF-Dokumente), E-Books, Interaktive Formulare, Multimedia-Inhalte (Video, Audio, Podcasts).
9. Fazit
Barrierefreiheit ist kein Nice-to-have, sondern ab 2025 Pflicht. Für Shopify-Händler:innen ist die rechtzeitige Umsetzung entscheidend, um rechtliche Risiken zu vermeiden und wirtschaftliche Chancen zu nutzen. Dank klarer Richtlinien (WCAG 2.1 AA) und hilfreicher Tools (Accessibly, EqualWeb, All in One Accessibility etc.) lassen sich viele Maßnahmen schrittweise umsetzen.
Hinweis: Dieser Artikel stellt keine rechtliche Beratung dar. Für verbindliche Auskünfte wende dich bitte an einen qualifizierten Rechtsberater.